V. Zwei Arten des Vergleichs

[5/1: Erste Art des Vergleichs]

Wisse: Wenn zwei Dinge miteinander verglichen werden, kann dies auf zweierlei Weise geschehen. Das eine mal beruht die Ähnlichkeit auf etwas sinnfälligem und klarem, das keiner weiteren Erschließung (Aufdeutung) (ta’awwul) bedarf, das andere mal kommt sie erst durch eine Art von Aufdeutung heraus.

Zu der ersten Art gehören die Vergleiche, welche auf der Ähnlichkeit zweier Dinge in Bezug auf Form und Gestalt beruhen, wie dass z. B. etwas Rundes je nachdem mit einer Kugel oder mit einem Ringe verglichen wird, oder in Bezug auf die Farbe, wie bei dem Vergleich der Wange mit der Rose, des Haars mit der Nacht, des Angesichts mit dem Tag, oder des Feuerfunkens mit dem Auge des Hahnes und was sonst von dieser Art ist. Sie kann sich auch auf Form und Farbe zugleich erstrecken, so bei dem Vergleich der Plejaden mit einer blühenden Weinrispe oder der Narzissen mit Schminkbüchschen aus Perlen, die mit Karneol gefüllt sind. Ferner gehören hierher die Vergleiche, die sich auf Lage und Anordnung im Raum beziehen, also Begriffe wie gerade, aufrechtstehend und ausgedehnt; so, wenn man den Wuchs eines Menschen mit einer Lanze, oder eine feine, schlanke Gestalt mit einem Zweig vergleicht. Zu dieser letzteren Gattung gehören auch die Bewegungen, die an den Körpern in Erscheinung treten; so, wenn man einen Menschen, der sich in gerader Richtung vorwärts bewegt, mit einem gerade fliegenden Pfeil, und einen anderen, der, von vergnügter Laune erfasst, sich hin und her wiegt, mit einem vom Winde bewegten Zweig vergleicht und so fort. Es gehören dazu überhaupt alle Vergleiche, die zwei Dinge im Bereiche des sinnlich Wahrnehmbaren zusammenstellen, so, wenn der Ton, den ein Ding von sich gibt, mit dem eines anderen Dinges verglichen wird; also z. B. das Quietschen des Kamelsattels mit dem Piepsen der Küchel in dem Vers:

Ka-anna aṣwāta min īġālihinna binā            awāḫiri l-maisi inqāḍu l-farārīǧi,[1]

- der eigentlich lauten müsste: Ka-anna aṣwāta awāḫiri l-maisi aṣwātu l-farārīǧi min īġālihinna binā; die Genitivverbindung ist durch das eingeschobene min īġālihinna binā getrennt -,

„Sie liefen so schnell mit uns vorwärts, dass die hinteren Teile des Sattelholzes Töne von sich gaben wie das Piepsen der Küchel“, oder wenn das Zähneknirschen des (erbosten) Kamelhengstes mit dem Kreischen des Falken verglichen wird:

Ka-anna ʻalā anyābihā kulla suḥratin          ṣiyāḥa l-bawāzī min ṣarīfi l-lawāʼiki[2]

„Das Knirschen ihrer Schneidezähne an jedem Morgen klingt wie das Kreischen der Falken“, oder was sonst für Geräusche zum Vergleich herangezogen werden. Ebenso gehören bekanntlich hierher die Vergleiche gewisser süßer Früchte mit Honig und Zucker, glatter, weicher Gegenstände mit Seide und rauer mit Sackleinen, sowie der Vergleich des Geruches gewisser wohlriechender Kräuter mit dem Geruch des Kampfers, oder des Geruches eines Krautes mit dem eines anderen. Von derselben Art ist endlich der Vergleich, der sich auf natürliche Anlagen und Eigenschaften bezieht, wie der des Mannes mit dem Löwen in Bezug auf die Tapferkeit, oder mit dem Wolf in Bezug auf die Verschlagenheit. Unter die natürlichen Anlagen fallen alle Charaktereigenschaften wie Freigebigkeit, edle und niedere Gesinnung; und nicht anders ist es, wenn ein Mann mit einem anderen bezüglich seiner Heftigkeit und Stärke verglichen wird, und was sich daran anschließt.

Bei alle diesem ist die Ähnlichkeit klar, sie wird nicht erst erschlossen, und es bedarf einer solchen Erschließung auch nicht, um die Ähnlichkeit zu gewinnen. Was für eine Erschließung sollte es auch geben bei der Ähnlichkeit der roten Wange mit den roten Rosen? Du siehst ja die Röte hier wie dort, und ebenso ist dir die Tapferkeit beim Löwen ebenso bekannt wie bei dem Manne.

[5/2: Zweite Art des Vergleichs]

Die zweite Art ist die, bei welcher die Ähnlichkeit erst durch eine Art von Erschließung herauskommt. Wenn du sagst: „Dies Argument ist so klar wie die Sonne“, so vergleichst du das Argument mit der Sonne in Bezug auf seine Klarheit, so wie du vorhin zwei Dinge in Bezug auf Farbe, Gestalt oder was du sonst willst, verglichen hast. Der Unterschied ist nur der, dass du hier den Vergleich erst durch eine Erschließung (Aufdeutung) gewinnst, indem du etwa sagst: Das Klar-(sichtbar-)sein der Sonne und anderer Körper besteht darin, dass sich keine Zwischenwand oder dergleichen zwischen das Auge und ihren Anblick schiebt. Daher ist dir der Gegenstand sichtbar oder nicht sichtbar, je nachdem du vor einer Zwischenwand stehst oder nicht durch eine solche von ihm getrennt bist. Der Zweifel aber, so wirst du weiter sagen, ist gleichsam eine solche Zwischenwand für das, was mit dem Verstand erfasst wird, weil er das innere Auge so am Sehen des Bezweifelten hindert wie die Zwischenwand das äußere Auge daran hindert, das zu sehen, was hinter ihr ist. Daher kann man vom Zweifel sagen, dass er sich dazwischen schiebt, wenn das Herz (Erkenntnisvermögen) die Richtigkeit oder Verkehrtheit eines Urteils erkennen will und darauf sein Denken richtet. Wird dann der Zweifel behoben, und der Sinn der Rede, welche das Argument für die Richtigkeit der aufgestellten Behauptung darstellt, vom Wissen erfasst, so sagt man (wohl): „Das ist klar wie die Sonne“, d. h. es ist kein Hindernis mehr, die Sache mit dem Wissen zu erfassen, und keine Möglichkeit mehr, mit dem Urteil zurückzuhalten und zu zweifeln; und wer die Sache dennoch leugnet, der ist entweder nicht richtig bei Verstand oder er ist ein verstockter, eigensinniger Leugner; so wie kein sehender Mensch an der Sonne zweifelt, die am Himmel steht, und sie leugnet, und keiner, der es dennoch tut, eine Entschuldigung hat. Du bedarfst also, um die von dir festgestellte Ähnlichkeit zwischen Argument und Sonne zu gewinnen, einer Erschließung (Aufdeutung) wie der angegebenen.

[5/3: Gradunterschiede in der Notwendigkeit der Erschließung]

Innerhalb dieser Art von Vergleichen, die auf diese Weise erschlossen werden müssen, gibt es nun erhebliche Gradunterschiede. Manche sind so naheliegend, leicht zugänglich und gefügig, dass man den Vergleich fast zu der ersten, keiner Erschließung bedürftigen Art rechnen kann, so z. B. das soeben gegebene Beispiel. In anderen Fällen muss man schon etwas nachdenken, und manche sind so subtil und versteckt, dass es schon eines größeren Maßes von Überlegung und Scharfsinn bedarf, um (das Vergleichsmoment) herauszubringen.

Ähnlich naheliegend und leicht zugänglich wie der Fall, mit dem wir angefangen haben, ist der, dass man zur Charakterisierung einer Rede sagt: „Ihre Worte sind flüssig wie Wasser“, „fein wie die Atemluft“, „süß wie Honig“, womit man sagen will, dass die Worte nicht kompliziert sind, dass ihr Sinn nicht zweifelhaft und schwer erkennbar ist, dass die Worte nicht fremdartig und selten und wegen ihrer Ungewohntheit abstoßend sind, oder, dass die gleichen Laute sich in ihr nicht so wiederholen oder widerstreben, dass die Zunge daran anstößt, so dass die Rede dem Wasser gleicht, das einem glatt die Kehle herunterläuft, oder der Atemluft, die den Körper durchdringt und seine feinsten Gänge durchströmt, das Herz erquickt, die Brust befreit und die Seele erfrischt, oder dem Honig, den zu schmecken angenehm ist, der die Seele erfreut, dem sich die Natur zuneigt und den sie sich gern vorsetzen lässt. Alles das ist schon eine etwas subtilere Art von Erschließung und Zurückführung von einem auf ein anderes, hier kommt der Begriff der Erschließung etwas eher zur Geltung und sie ist schon in stärkerem Grade nötig als bei dem Vergleich des Arguments mit der Sonne.

[5/4: Beispiel: „Der gegossene Ring“]

Ein Fall aber, bei dem die Erschließung sich schon so sehr als nötig erweist, dass man beim ersten Hören noch gar nicht erfasst, worauf der Vergleich abzielt, ist z. B. die schöne Antwort, welche Kaʻb al-Ašqarī dem Ḥaǧǧāǧ gab, als er, von Muhallab als Gesandter zu diesem geschickt, die Vortrefflichkeit und Tapferkeit der Söhne des Muhallab rühmte. Am Schluss der Erzählung fragte ihn nämlich Ḥaǧǧāǧ: „Und wie waren die Söhne des Muhallab unter den Leuten dort?“ Da sagte er: „Sie waren die Schützer der frei weidenden Herde am Tage, und wenn die Nacht über sie kam, waren sie die Reiter des Nachtangriffes.“ Ḥaǧǧāǧ fragte weiter: „Und welcher von ihnen war der edelste?“ Da antwortete er: „Sie waren wie ein gegossener Ring, bei dem man nicht weiß, wo die beiden Enden sind.“[3] Dies Bild bedarf, wie du siehst, offenbar schon im höheren Grade der behutsamen Behandlung und Betrachtung, und recht verstehen kann es nur jemand, dessen Einsicht und Blickschärfe ihn über die Schicht des gemeinen Volkes erhebt. Der Vergleich des Argumentes mit der Sonne dagegen ist wie Allgemeingut, und ihn kennt ebenso der Kluge und Aufgeweckte wie der Verstandesschwache und Einfältige. Ebenso kommt wohl auch jener oben angeführte Vergleich der Worte mit Wasser usw. in der Rede des gemeinen Mannes vor. Solche Feinheit aber wie in dem Bilde: „Sie sind wie ein Ring“ findest du nur in feingebildeten Reden und klugen Aussprüchen, wie sie von hochgebildeten und mit vollkommenem Verstand begabten Leuten überliefert werden.

[5/5: Der Unterschied zwischen den beiden Arten des Vergleichs]

Nachdem du nun den Unterschied zwischen diesen beiden Arten kennengelernt hast, so wisse ferner, dass (die erste,) der Vergleich, das Allgemeine und (die zweite,) das Gleichnis, ihm gegenüber das Besondere ist. Jedes Gleichnis ist ein Vergleich, aber nicht jeder Vergleich ist ein Gleichnis. Wenn Qais ibn al-Ḫaṭīm[4] sagt:

Wa-qad lāḥa fī ṣ-ṣubḥī ṯ-ṯurayyā li-man raʼā

ka-ʻunqūdi mullāḥīyatin ḥīna nawwarā

„Als am Morgen die Plejaden dem Auge des Betrachters erschienen

wie eine Mullāḥīweinrispe, zur Zeit, wo sie aufgeblüht ist“,

so wirst du das als einen schönen Vergleich bezeichnen und nicht als ein Gleichnis. Ebenso wirst du sagen: Ibn al-Muʻtazz hat schöne und originelle Vergleiche; denn du meinst damit seine (Kunst), sichtbare Gegenstände mit sichtbaren zu vergleichen, und all die Vergleiche, bei denen die Ähnlichkeit nicht erst erschlossen zu werden braucht, wie z. B.:

Ka-anna ʻuyūna n-narǧisi l-ġaḍḍi ḥaulahā (bainahū)

madāhinu durrin ḥašwuhunna ʻaqīqu[5]

„Als ob die Augen der frischen Narzissen auf der Aue Pomadenbüchschen

aus Perlen wären, die mit Karneol gefüllt sind“,

und:

(Qum yā nadīmiya naṣṭabiḥ bi-sawādi          Qad kāda yabdū ṣ-ṣubḥu au huwa bādi)

Wa-arā ṯ-ṯurayyu fī s-samāʼi ka-annahā       qadamun tabaddat mit ṯiyābi ḥidādi[6]

„(Steh auf, mein Zechgenosse, lass uns den Morgentrunk tun in schwarzer Nacht. Schon will der Morgen erscheinen oder ist schon erschienen). / Und ich sehe die Plejaden am Himmel, als ob sie ein Fuß wären, der aus einem Trauerkleide hervorschaut,“

und:

Wa-tarūmu ṯ-ṯurayyā fī l-ġurūbi marāmā

Ka-nkibābi ṭimirrin    kāda yulqī l-liǧāmā[7]

„Das Siebengestirn schickt sich schon an, untergehen, wie ein Pferd, das durchgehen will, den Kopf neigt und fast das Zaumzeug abgeworfen hat“,

und:

Qadi n-nqaḍat daulatu ṣ-ṣiyāmi wa-qad       baššara suqmu l-hilāli bil-ʻīdi

Yatlū ṯ-ṯurayyā ka-fāġirin šarihin                 yaftaḥu fāhu li-akli ʻunqūdi[8]

„Abgelaufen ist die Herrschaft des Fastens, und die Krankheit des neuen Mondes verkündet die frohe Botschaft vom kommenden Fest. / Er geht hinter dem Siebengestirn her wie ein essgieriger mit offenem Maule, der den Mund auftut, um eine Traube zu essen“,

und:

Lammā tafarrā l-ufqu biḍ-ḍiyāʼi       Miṯla btisāmi š-šafati l-lamyāʼi

Wa-šamiṭat ḏawāʼibu ẓalmāʼi            Qudnā li-ʻīni l-waḥšī waẓ-ẓibāʼi

Dāhiyatan maḥḏūrata l-liqāʼi…        Wa-taʻrifu z-zaǧra mina d-duʻāʼi

Bi-uḏunin sāqiṭati l-arǧāʼi                 Ka-wardati s-sūsanati š-šahbāʼi

Ḏā burṯunin ka-miṯqabi l-ḥaḏḏāʼi     Wa-muqlatin qalīlati l-aqḏāʼi

                                    Ṣāfiyatin ka-qaṭratin min māʼi[9]

„Als der Horizont das Licht hervorblicken ließ / wie das Lächeln der roten Lippe (die Zähne blicken lässt), / und die (schwarzen) Strähnen der Dunkelheit grau wurden, / da führten wir gegen die großäugigen Antilopen und Gazellen / eine gefährliche kluge (Hündin), der zu begegnen man sich hüten muss, / die den Ruf zum Antreiben und den zum Herbeirufen zu unterscheiden weiß, / mit schlapphängendem Ohre / wie das Blütenblatt der dunklen Iris, / mit Krallen wie die Schusterahle / und Augen, die nicht getrübt sind, / klar wie ein Wassertropfen“,

und was sonst von dieser Art ist. Du meinst aber nicht Verse wie:

Iṣbir ʻalā maḍaḍi l-ḥasū =     di fa-inna ṣabraka qātiluh

Fan-nāru taʼkulu nafsahā      in lam taǧid mā taʼkuluh[10]

„Ertrage geduldig die Stichelei des Neiders; denn deine Geduld wird ihn töten. /

Das Feuer zehrt sich selber auf, wenn es nichts findet, was es verzehren kann.“

Das hat seinen Grund darin, dass Ibn al-Muʻtazz besonders reich an wohlgelungenen (Vergleichen) dieser ersten Art und ihretwegen vor allem berühmt ist. — Auf das, was man nicht Gleichnis nennen kann, wird auch nicht der Ausdruck „(bildliche) Sentenz“ (maṯal) angewandt. Man sagt nicht, Ibn al-Muʻtazz sei reich an schönen Sentenzen, wobei man Verse wie die oben angeführten meinen würde, wohl aber spricht man von dem Sentenzenreichtum des Ṣāliḥ ibn ʻAbdalquddūs und meint damit Verse wie:

Wa-inna man addabtahū fī ṣ-ṣibā      kal-ʻūdi yusqā l-māʼa fī ġarsih

Ḥattā tarāhu mūriqan nāḍiran          baʻda allaḏī abṣarta min yubsih

(Waš-šaiḫu lā yatruku aḫlāqahū       ḥattā yuwārā fī ṯarā ramsih)[11]

„Wen du in der Jugend wohl erziehst, der ist wie ein Baum, der beim Pflanzen getränkt wird, / so dass du ihn grünend siehst und saftig, nachdem du ihn zuvor trocken fandest. / (Der alte Mann aber lässt nicht von seiner Gesinnung, bis er in dem Erdreich seines Grabes verschwindet)“

und ähnliche Verse, bei denen die Ähnlichkeit zu dem gehört, was erst erschlossen werden muss. — Wenn du aber von dem Verse des Ibn al-Muʻtazz:

„Das Feuer zehrt sich selber auf, wenn es nichts findet, was es verzehren kann“ sagst, er sei ein Gleichnis, so ist darüber das zu sagen, was ich eben gesagt habe; denn der Vergleich des Neiders, dem man mit Geduld und Schweigen begegnet und seinen eigenen Wutanfällen überlässt, mit dem Feuer, dem kein Holz zugelegt wird, so dass es sich selbst aufzehrt, ist etwas, wobei die Notwendigkeit der Erschließung klar und deutlich ist.

Aus diesen allgemeinen Darlegungen wird deutlich geworden sein, worauf der Unterschied zwischen Vergleich und Gleichnis besteht. Die nähere Untersuchung der beiden, bisher allgemein charakterisierten Ausdrucksformen im Einzelnen aber wird zu Erörterungen führen, welche jedem, der am (Auffinden von) Wahrheiten vergnügen findet, Freude bereiten werden.

[5/6: Grund des Unterschieds]

[5/6-1: Das Gemeinsame des Vergleichs]

Wisse: Dass der Vergleich in diese Arten zerfällt, ist dadurch bedingt, dass, wenn (zwei Dinge) eine Eigenschaft gemeinsam haben, das Gemeinsame einmal die Eigenschaft selbst bzw. deren Gattungsbegriff, das andere mal eine Funktion ist bzw. etwas, was durch sie bedingt wird. Die „Wange“ hat mit der „Rose“ die rote Farbe selbst gemeinsam, diese findet sich an beiden Stellen im realen Sinne vor; das „Wort“ aber teilt die Süßigkeit mit dem „Honig“ nicht als gemeinsame Gattung, sondern das Gemeinsame besteht in einer Funktion und etwas, was durch die Süßigkeit bedingt wird, nämlich dem Lustgefühl, welches die Seele des Schmeckenden empfindet, und der Stimmung, die in der Seele entsteht, wenn sie mit dem Geschmacksinn auf etwas stößt, was der Natur angenehm und gemäß ist. Es muss daher klar ausgesprochen werden, dass bei dem Vergleiche des „Wortes“ mit „Honig“ bezüglich der Süßigkeit das den Vergleich begründende Moment nicht die Süßigkeit selbst oder ihre Gattung ist, sondern etwas durch sie Bedingtes und eine Eigenschaft, die in der Seele durch sie neu entsteht, und dass gesagt werden soll, dass der Hörer, wenn ihm das Wort ans Ohr schlägt, einen ähnlichen Seelenzustand erlebt wie derjenige, welcher die Süßigkeit des Honigs schmeckt, so dass, wenn man die beiden Seelenzustände mit Augen sehen könnte, sie gleich aussehen und sich zueinander so verhalten würden wie die Röte der Wangen zu der roten Farbe der Rosen.

[5/6-2: Der Ausdruck „Erschließung“ (ta’awwul)]

Um dies klar auszudrücken, gibt es aber keinen gemäßeren Ausdruck als ta’awwul „Zurückführung“ auf etwas anderes („Erschließung, Aufdeutung“); denn taʼawwaltu š-šaiʼa bedeutet, dass man denjenigen Begriff oder denjenigen Ort im Verstand zu finden trachtet, auf welche die Sache „zurückgeht“; denn awwaltu und taʼawwaltu sind II. bzw. V. Stamm von āla l-amru ilā kaḏā „die Sache ging auf das und das zurück“, wenn sie am Ende dort hingelangt, und maʼāl ist soviel wie marǧiʻ „der Ort, auf den etwas zurückgeht“. (Es folgt eine Bemerkung, welche die Ableitung des Verbums von awwal „erster“ abweist.)

[5/6-3: Die erste Art des Vergleichs ist ursprünglicher]

Bei der ersten Art liegt die Sache so: Wenn die als ähnlich festgestellte Eigenschaft bei dem sekundären Gegenstand von derselben Gattung ist wie bei dem primären, so ist sie an sich selbst ursprünglich (primär), und außen und innen ist bei ihr gleich. Wenn du also die „Rose“ und die „Wange“ (in einem Vergleich) zusammenstellst, so bedeutet das lediglich, dass du hier wie dort rote Farbe vorfindest. Das Wesen der Gattung ändert sich nicht dadurch, dass sie sich bei zwei verschiedenen Gegenständen vorfindet, nur ein Unterschied in Bezug auf mehr oder weniger, schwächer oder stärker ist denkbar, etwa, dass die Röte bei diesem Gegenstände in größerer Quantität oder in intensiverem Grade vorhanden ist als bei jenem.

Stehen diese Sätze fest, so ergibt sich aus ihrer Kenntnis, dass der eigentliche, ursprüngliche Vergleich der jener ersten Art ist, und dass diese zweite Art von jener ersten abgeleitet und von ihr abhängig ist. Klarer wird das noch, wenn wir daran denken, dass es sich beim Vergleich immer darum dreht, dass zwei Dinge irgendetwas gemeinsam haben. Das Gemeinsamhaben einer Eigenschaft selbst wird aber früher konzipiert als das Gemeinsamhaben von etwas, was durch die Eigenschaft bedingt wird, so wie ja die Eigenschaft selbst in der Vorstellung dem durch sie Bedingten vorausgeht. Zuerst ist die Süßigkeit selber da, dann erst bedingt sie die Lust in der Seele des sie Schmeckenden. Und wenn wir den Bereich betrachten, innerhalb dessen Vergleiche angestellt werden können, so finden wir, dass die Übereinstimmung und das gemeinsame Teilhaben an einer Eigenschaft so weit gehen müssen, dass man wähnen könnte, sie seien identisch. Tatsächlich entspricht das dem Sprachgebrauch und dem vernünftigen Denken; denn wenn immer vernünftige Leute eine Ähnlichkeit besonders betonen wollen, so sagen sie: „Du kannst sie nicht unterscheiden, und wenn du das eine nach dem Anderen sähest, würdest du nicht wissen, dass du etwas anderes als das erste gesehen hast, und erst aus außerhalb der Form liegenden Momenten schließest du, (dass es sich anders verhält).“ Etwas derartiges lässt sich, wie leicht ersichtlich, ohne Beschränkung, im wahren Sinne des Wortes, nur bei der ersten Art des Vergleiches sagen; bei der zweiten Art hat eine solche Behauptung immer den Charakter von etwas willkürlich angenommenem und in die Dinge hineingesehenem. Wenn du behauptest, keinen Unterschied zu finden zwischen der Wirkung des Honigs auf die Seele des Schmeckenden und der Wirkung eines angenehmen Wortes oder einer gefälligen Rede auf die Seele des Hörers, so ist eine solche Behauptung doch nur möglich im Sinne einer Annäherung und Annahme in Bausch und Bogen, nicht im Sinne einer sicheren, unbedingten Feststellung.

Daher stehen jene erdeuteten Ähnlichkeiten, welche der Verstand von einem Dinge für ein anderes abzieht, nicht auf der gleichen Stufe wie jene ursprünglichen, normalen Ähnlichkeiten. Bei der gedanklichen Ähnlichkeit sind die Dinge vielmehr gleichsam ähnlich im zweiten Grade.

 

[1] Aus einer Qaṣīde des unter Hišām ibn ʻAbdalmalik (105-125/724-743) gestorbenen „letzten Beduinendichters“ Ḏū r-Rumma Ġailān ibn ʻUqba aus dem Stamme der Banī ʻAdī. Der Vers wird von den Grammatikern wegen der Trennung der Genitivverbindung behandelt. Als Beispiel für „Vertracktheit“ (muʻāḍala) Ṣināʻatain S. 122.

[2] Von dem gleichen Dichter.

[3] Kaʻb ibn Maʻdān al-Ašqarī ist ein chorasanischer Dichter und Redner im Gefolge des berühmten Ḫāriǧitenbekämpfers Muhallab ibn Abī Ṣufra. Nach einem Siege über die ḫāriǧitische Untersekte der Azraqiten wurde er von Muhallab zu dem Statthalter des Irak, al-Ḥaǧǧāǧ ibn Yūsuf, geschickt, um den Sieg zu melden. Als er von Ḥaǧǧāǧ empfangen wird, schildert er ihm zunächst die Kämpfe Muhallabʼs mit den Azraqiten in einer langen Qaṣīde, dann stellt ihm der Statthalter allerhand Fragen, die jener aus dem Stegreif im gewähltesten Stil, mit Reimprosa, beantwortet. Darunter sind auch die Sätze, die hier zitiert werden. Übrigens haben Muhallabʼs Söhne dem Kaʻb seine Anhänglichkeit an ihren Vater schlecht gelohnt. Als Yazīd ibn Muhallab 85 H der Statthalterschaft von Chorasan enthoben wurde, ließ der Dichter sich zu einem Schmähgedicht auf ihn hinreißen. Das wurde ihm damit vergolten, dass ihn dieser oder sein Bruder Ziyād von dem eigenen Neffen, der den Oheim hasste, ermorden ließ. Der Mörder verfiel später der Blutrache des Bruders des Dichters. (Aġānī² 13/54-61; Šarīšī 2/210-11 zur 42. Maqāme; Julius Wellhausen: Das arabische Reich und sein Sturz. S. 267, 272.)

[4] Der Dichter des Verses ist nicht Qais ibn al-Ḫaṭīm, sondern sein Landsmann und Stammesgenosse Abū Qais ibn al-Aslat, der Führer der Aus in der Schlacht von Buʻāṯ, in der, wenige Jahre vor Muhammadʼs Ankunft in Medina, diese ihre Gegner, die Ḫazraǧ, besiegten. Ṣāliḥ ibn Ḥassān fordert in einer literarischen Gesellschaft die bei ihm weilenden Kenner der Dichtkunst auf, ihm den schönsten Vers über eine schöne keusche Frau und dann über die Plejaden zu rezitieren. Mit den beigebrachten Proben nicht zufrieden, rezitiert er selbst einen Vers des Abū Qais ibn al-Aslat über die Plejaden, darunter den hier zitierten, und erklärt ihn für schöner als die von den anderen vorgebrachten. Bei dieser Bevorzugung spielte vielleicht Stammessolidarität mit; denn Ṣāliḥ ibn Ḥassān war Medinenser und gehörte ebenfalls dem Stamme der Aus an. Er lebte bis in die Zeit des Kalifen al-Mahdī (st. 169/785), hielt sich Sängerinnen und überlieferte schwache Hadithe (Taʼrīḫ Baġdād 9/301 Nr. 4843.)

[5] Aus einer kleinen Naturschilderung des Ibn al-Muʻtazz.

[6] Aus einem Trinklied des Ibn al-Muʻtazz.

[7] Aus einem Trinklied des Ibn al-Muʻtazz.

[8] Aus einem Trinklied des Ibn al-Muʻtazz.

[9] Aus einem Jagdgedicht des Ibn al-Muʻtazz.

[10] Aus den Sentenzen und Weisheitssprüchen des Ibn al-Muʻtazz.

[11] Ṣāliḥ ibn ʻAbdalquddūs gehörte zu den des Zindīqtums verdächtigten Literaten, die der Kalif al-Mahdī im Zuge der von ihm inszenierten Ketzerverfolgung hinrichten ließ. Als er dem Kalifen vorgeführt wurde, machte er auf diesen zuerst wegen seiner feinen Bildung, seiner schönen Sprache und seiner Weisheitssprüche einen so guten Eindruck, dass er ihn laufen lassen wollte. Dann aber ließ er ihn zurückholen und hielt ihm die oben zitierten Verse vor: Wirst du etwa im Alter deine Gesinnung ändern? Wir urteilen über dich so, wie du selber urteilst! Darauf ließ er ihn töten (im Jahre 167 H.)

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